Marius Müller-Westernhagen

Am 6. Juli um 22 Uhr 30, strahlt das ZDF, nicht gerade bekannt für linke Agitation, einen ärgerlichen Beitrag aus. Die Satire-Sendung Express erhielt zwar im letzten Jahr einen Grimme-Preis, weil sie „spritzig, einfallsreich, intelligent“ ein qualitativ hochwertiges Fernsehprogramm durch „Spaß und Nonsens mit kritischen Ansätzen bot. Der Beitrag an diesem Donnerstag geht aber zu weit und ist mit Satire nicht zu entschuldigen. Ein junger Sänger, den man bislang nur in Düsseldorf kannte, singt ein Lied, das nicht nur Bayern verstören muss. Marius Müller-Westernhagen agierte schon als Jugendlicher in der Band HARAKIRI WHOOM, die aber weniger durch musikalische Originalität als durch einen gleichnamigen Kurzfilm bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. Drei Jahre zuvor brachte die ARD diesen 36-minütigen Spielfilm, der erst nach langen Diskussionen dem Fernsehpublikum präsentiert werden konnte. Man sprach von Wehrkraftzersetzung. Müller-Westernhagen spielt einen Rock-Musiker, der kurz vor dem großen Erfolg zur Bundeswehr eingezogen, dann aber von den Band-Mitgliedern aus der Kaserne befreit wurde. Die Kölner Produktionsfirma Köper & Schmidt zeichnete sich verantwortlich für diesen Politskandal. Hans Hermann Köper ist ein Journalist mit bewegter Vergangenheit. Als jugendlicher Freiwilliger in den Krieg gezogen und verletzt zurückgekehrt, widmet er sich nach dem Krieg intensiv dem Thema Wehrdienstverweigerung und schließt sich der sozialistischen Arbeiterjugend an. 1964 gründet er mit dem 23-jährigen Jura-Studenten Gerhard Schmidt, der sich aber lieber als Filmproduzent, Autor und Regisseur betätigt, eine eigene Firma, Köper & Schmidt, Books and Film Production. Köper schreibt Drehbücher, nachdem er vorher Chefredakteur der Zeitschrift TWEN war und sich ebenso um die Diskothek in der Zeitschrift Pardon kümmerte. Köper & Schmidt produzieren dann seit dem Juni 1968 Express, witzig, satirisch, kritisch. Für die Sendung am 6. Juli schreiben sie ein Lied, das gleichzeitig bei United Artist Records als Single erscheint. Es ist eine Cover-Version des ein Jahr zuvor erschienenen Songs von PAUL MCCARTNEY, Give Ireland back to the Irish. Aus Irland wird Bayern: Gebt Bayern zurück an die Bayern. Die Bayern finden das aber gar nicht witzig. Ironisch, nun gut, aber gehässig und verletzend, spricht dieser tendenziöse Song dem südlichen Bundesland seine demokratische Verfassung ab. Diese Politschamotte plädiert für eine Spaltung der BRD und gönnt dem „Freistaat“ die Monarchie mit „Superbayer Franz-Josef“ (Strauß) als „König“ : „Alle Bayern raus aus Deutschland / Dann sind wir sie endlich los!“ Die unsachliche Polemik gipfelt in dem menschenverachtenden Vorwurf, Bayern habe Probleme mit der Freiheit seiner Bürger. „Jeder redet heut von Freiheit / Drum lasst Bayern doch in Ruh / Auch die Bayern sind doch Menschen / Fast genau wie ich und du.“

Coverrückseite der Single Gebt Bayern zurück an die Bayern

Das Label United Artists Records reagiert auf die heftige Kritik. Die Plattenfirma hat natürlich kein Interesse, sich in politische Ranküne zu verstricken. Mit einem großen Erfolg der Single hat man eigentlich auch nicht gerechnet. Schnell wird die Platte vom Markt genommen. Leider sei es nicht zu vermeiden, dass die schon ausgelieferten Singles unters Volk kommen. Immerhin hat man sich bei UA einsichtig gezeigt und rasch gehandelt.

Dass das Plattendebüt des Sängers Marius Müller-Westernhagen nicht mehr verkauft werden konnte und ihm ein möglicher Erfolg aus politischen Gründen versagt blieb, hat seiner Karriere nicht geschadet. Weitere Schallplatten von Westernhagen sind in einem freien Deutschland nicht indiziert worden.